Mit diesem Thread möchte ich ausdrücklich auf die Land-, nicht auf die Forstwirtschaft abheben.
Alsdann: An verschiedenen Bahnhöfen im Hochharz gab bzw. gibt es landwirtschaftliche Genossenschaften (z. B. in Hasselfelde). Da stellt sich mir die Frage: wo sind die dazugehörigen Bauernhöfe und was beackern die so (Getreide, Kartoffeln, Rüben...)?
Bewusst sind mir landwirtschaftliche Flächen bisher nur auf der Harzhochebene (Stiege/Hasselfelde/Allrode) aufgefallen. Oder gibt es auch noch andere?
Hallo Sebastian, ich möchte dir heute einmal sehr ausführlich auf deine Frage nach der Hochharzer Landwirtschaft antworten. Beachte dabei bitte, das es zur Zeiten der BRD/DDR auf beiden Seiten sehr unterschiedliche Formen der Landwirtschaft gab. Ich möchte hier im Folgenden nur auf die Situation im Westharz, speziell für Braunlage/Hogeiß und Zorge/Wieda/Walkenried eingehen.
Drei Landwirtschaftszonen: 1. Hochflächenzone: Braunlage und Hohegeiß 500-650 m NN 2. Zone der tiefen Gebirgstäler: Wieda und Zorge 350-500 m NN 3. Harzrandzone: Walkenried 250-350 m NN
zu 1.: aufgrund ungünstiger klimatischer Bedingungen nur reine Grünlandwirtschaft, also Viehweide, früher auch Pferdezucht zu 2.: aufgrund Frostgefährdung und hoher Temperaturschwankungen wie 1. zu 3.: Ackerbau bereits seit der Jungsteinzeit, jedoch aufgrund Böden mit geringer Tiefe und Kalkuntergrund Gefahr hoher Trockenheit
Also im Ganzen keine optimalen Voraussetzungen für klassische Landwirtschaft. Hier noch einmal die Gesamtgrößen der Landwirtschaften Nutzfläche und die Anzhal der Betriebe: Braunlage: 1933 265 ha/82 Betriebe, 1968 41 ha/7 Betriebe, Hohegeiß: 1933 209 ha/127 Betriebe,1968 121 ha/46 Betriebe, Wieda: 1933 127 ha/106 Betriebe,1968 50 ha/21 Betriebe, Zorge: 1933 188 ha/114 Betriebe,1968 41 ha/21 Betriebe, Walkenried:1933 648 ha/93 Betriebe, 1968 609 ha/54 Betriebe
Das reine Ackerland (also ohne Gärten, Wiesen und Grünland) betrug 1933 u. 1968 in: Braunlage: 6 / 0 ha Hohegeiß: 55 /24 ha Zorge: 20 /23 ha Wieda: 45 /14 ha Walkenried: 436/453 ha
Auf den Böden bei Walkenried wird Weizen, Gerste und ein wenig Roggen und Hafer angebaut. Zuckerrüben wenige, dafür mehr Futterrüben und ausreichend Kartoffeln.
Viehhaltung: 1. Rindvieh Die Hochharzgemeinden wiesen den größeren Viehbesitz auf. Braunlage zählte z.B. im Jahr 1857 rd. 500 Stück, 1933 waren es noch 164, 1968 38 Tiere. Hier wird das kleinwüchsige und sehr robuste Harzer Rotvieh gehalten, dessen weidende Herden und tägliche Austrieben von den Einwohnern zur Weide früher zum Charakterbild des Ortes gehörten. In Walkenried gab und gibt es das typische schwarzbunte Niederungsvieh mit erheblich höherer Milchleistung. Walkenried hatte im Jahr 1892 168 Rindviecher, 1968 aber schon 468 Stück. 2. Pferde SEit dem Mittelalter war der HArz Zuchtgebiet für Pferde. Viele Flurnamen weisen noch heute darauf hin: "Wilden...", "Füllen...", "Schimmer..." Da die Tiere auch für den Transport der Harzer Güter (Holz, Erz. Kohle) benötigt wurden, waren sie für die Harzer extrem wichtig. 3. Schafe/Ziegen Spielten und spielen nie eine große Rolle
Organisation: Einzelhöfe, keine Genossenschaften
Soweit mein Abriss über die Landwirtschaft im ehemaligen Kreisgebiet Braunlage.
Ein sehr interessantes Kapitel ist die Viehweide mit dem Roten Harzer Höhenvieh und auch sein Erscheinungsbild bei den Touristen von ca. 1880-1960. Dazu demnächst hier mehr, auch mit entsprechenden Bildern.
vielen Dank für deinen detail- und faktenreichen Beitrag!
Die klassische Landwirtschaft im Sinne von Ackerbau, soweit überhaupt vorhanden, scheint also bereits in der (Modellbahn-)Epoche 3 schon ziemlich am Ende gewesen zu sein, die beackerte Fläche spricht da eine deutliche Sprache. Interessant wäre jetzt noch, wie sich das ganze im Ostharz entwickelte, wo die (Land-)Wirtschaft ja unter anderen ökonomischen Rahmenbedingungen stattfand.
Ackerbau gab es im Harz im großen und ganzen abgesehen von wenigen privaten kleinen Äckern nicht. Das lohnte warscheinlich nicht. Aber die einschlägigen LPG wirtschafteten im allgemeinen mit der Viehzucht-und Weidewirtschaft. So scheint es auch noch heute zu sein. Ackerbau wurde vorwiegend in den unteren Lagen heraus aus dem Harzvorland betrieben. Viecher aus der ganzen Republik waren als Sommergäste im Harzer Weideland vom Früjahr bis in den Herbst unterwegs und absolvierten ein umfangreiches Mastprogramm. Die geschlachteten Viecher konntet Ihr dann im Westen in Form von Fleisch-und Wurstwaren für billiges Westgeld erwerben und Euch damit mästen. für uns blieb davon nur wenig über. In einigen Regionen der DDR so z.B. an der Küste gab es nur Dienstags und Freitags Fleisch zu kaufen, nachdem man sich dafür Stundenlang anstellen muste. Und ausuchen war auch nicht, du mustest nehmen was es gab. So haben wir z.B. auch immer unsere Urlaube damit zugebracht nach Bückeware ausschau zu halten und anzustehen, damit wenigstens mal ein Grillabend im Betriebseigenen Bungalow an der Boddenküste des Strelasunds stattfinden konnte. Das Bw Wernigerode hatte dort 4 Bungalows wovon einer ständig durch die Rbd Magdeburg und einer durch das Rba Aschersleben als vorgesetzte Dienstellen besetzt wurden. Somit konnten durch uns immer nur 2 Familien jeweils 14 Tage Boddenurlaub verbringen. Dafür gab es dort um so mehr Ackerbau auf Großflächen. LG Reiner