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Dieses Thema hat 93 Antworten
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Volka Offline




Beiträge: 4.564

17.08.2023 21:15
#16 RE: Anschluss Krieger Antworten

N'Abend,

es wird ja immer fummeliger. Als erstes waren die Luftbilder von 1953 und 1945 zu georeferenzieren, d.h. so über eine sehr ortsgenaue Karte, einem digitalen Orthophoto (DOP) oder dem Geländemodell (DGM) zu legen, dass es passt. Im Prinzip ist es einfach: Man klickt auf einen markanten Punkt im Luftbild und dann auf dieselbe Stelle in der Karte etc., wo die Ortskoordinaten bekannt sind. Das wiederholt man ein paar mal und lässt dann das Programm QGIS die Berechnung durchführen. Dabei sollte man schräge Hauswände natürlich vermeiden und sich Punkte aussuchen, die auf dem Boden liegen. Um ehrlich zu sein, da bleibt bei einem Waldstück mit wechselnden Bewuchs und Schatten nicht viel über. Ich habe mir dann zwei Bahnübergänge bei Talmühle und einem bei Netzkater ausgesucht. Es gelang mir noch wenige mehr in der Nähe des Steinbruchs auszumachen. Die verbliebenen Restabweichungen zeigt einem das Programm dann auch wie hier mit roten Punkten und Strichen an:



Vielleicht erstelle ich hier mal eine kleine Anleitung mit einem schönen Beispiel für die es auch einmal probieren wollen? Besteht Interesse?

Um die weitere Güte zu kontrollieren, tat ich das, was ich eigentlich gar nicht wollte und zwar die teils echt schlechtsitzenden Vielecke bei ORM der heute existierenden Harzquerbahn mittels DOP exakt auf die Strecke zu legen und die Punktdichte in den Kurven deutlich zu erhöhen. Eigentlich ist es am einfachsten alles zu löschen und neu zu zeichnen, aber dann gehen weitere Funktionen wie Geschwindigkeiten, Bahnübergänge, weitere Details und die ganze Historie der Abschnitte verloren. Also tat ich es zwischen Talmühle und Netzkater und konnte zur Belohnung dann sehen, wie gut die alten Luftbilder passten. Ach ja, den Anschluss, welcher Otto "Kahler Herzberg (Ochsenplatz)" nannte, habe ich mir aus Jürgens Buch auch noch gescannt und versucht einigermaßen einzufügen. Und erst dann habe ich mich daran gemacht, den Verlauf der Feldbahnen in dem noch fraglichen Bereich aus den Luftbildern zu rekonstruieren und geprüft, ob sie auch zum DGM und den anderen Darstellungen passen. Letztendlich kam dann das Folgende dabei heraus, wobei die gestrichelten Linien eher Vermutungen sind und ich sie nicht in ORM übernehmen würde. Gerne nehme ich Kritik und Verbesserungsvorschläge entgegen:


Luftbild 1953 - wie man oben sieht, ergibt die Georeferenzierung noch einen kleinen Versatz.


Luftbild 1945 - hier erkennt man auch einige Gebäude aus Ottos Zeichnungen besser. Dort sieht man übrigens nur den Schatten des Schornstein, ihn selber aber nicht.


Digitales Geländemodell (DGM) - Der Absatz an der B81 ist ja doch noch zumindest teilweise vorhanden!


Messtischblatt


Das neueste digitale Orthophoto (DOP) aus der blätterlosen Jahreszeit zum darüber stolpern vor Ort

Und warum eine der Kipplorenreihe auf einem Stumpfgleis steht - jedenfalls nach meiner Interpretation -, kann ich nicht sagen.

Viele Grüße

Volker


Harzwanderer hat sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

29.08.2023 20:47
#17 RE: Anschluss Krieger Antworten

Hallo,

habe noch kleine Ergänzungen hierzu.

Bernd / @Harzwanderer hatte hier https://www.harzbahn-forum.de/t3394f111-Krieger-im-Beretal-1.html#msg27211 und im Folgenden seine Beobachtungen zum Steinbruch auf der anderen Hangseite und weitere Annahmen dargestellt. Aus diesem Teil zur Erinnerung seine Skizze dazu.



Im digitalen Geländemodell des Landes Thüringen (Darstellung der Höhen zwischen 310 und 380 m) sieht es dann folgendermaßen aus, wobei die Rinne auf der rechten Seite des Berghangs jener Forstweg ist, den wir bei der gemeinsamen Besichtigung für den ersten Teil des Aufstiegs genutzt haben (bis wir dann senkrecht hoch gegangen sind - wir waren noch jung).



Viele Grüße

Volker


Harzwanderer hat sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

30.08.2023 18:26
#18 RE: Anschluss Krieger Antworten

... und jetzt zum Letzten an diesem Ort (zumindest vorerst):

Südlich des ersten Steinbruchanschlusses "Füllental" ist im ditalem Geländemodell und bestimmt auch vor Ort noch ein kleiner Bruch zu erkennen. Zu dem größeren, wo bei heutiger Erkundung die Feldbahn abrupt endet, ist eine kleine Kante im Gelände zu sehen. Ob dort entlang auch Feldbahn zur Verladung führte? Vielleicht mag jemand bei Gelegenheit mal vorbeischauen, ob man nicht doch noch eine Schwelle als Beweis findet (aber bitte keine von woanders hier ablegen).


Volka Offline




Beiträge: 4.564

11.09.2023 22:08
#19 Harzungen Antworten

N'Abend!

Vor langer Zeit hatte @Harzwanderer Bernd in diesem Forum mal darauf hingewiesen, dass die Amerikaner im oder kurz nach dem zweiten Weltkrieg in einer Topografischen Karte deutscher Herkunft die Strecke von Niedersachswerfen-Ost zum KZ-Außenlager in Harzungen eingetragen haben. Wie ich letztens feststellen konnte, wurde in den Fünfzigern in den TK25 der DDR diese als abgebaut gekennzeichnet. Ich habe einen verzerrten Internet-Fund einer solchen Karte von Nordhausen-Nord (M-32-22-B-c) aus dem Jahr 1956 mal zurecht gedengelt:



Die Situation ist auch gut auf einem Luftbild von 1944 zu erkennen, was ich zum ersten mal im Buch "Strecken und Bahnhöfe der Schmalspurbahnen im Harz, Band 1" aus 2018 auf S. 60f von @Jürgen Steimecke gesehen habe. Es ist relativ bekannt. Zuletzt hatte Winfried @Krimderöder es im Bimmelbahn-Forum mal erwähnt. Das Land Thüringen bietet es als Download an. Ich hoffe der Link funktioniert:

https://geoportal.geoportal-th.de/gaialight-th/_apps/dladownload/download.php?type=lb&id=3099643&log=194412-3046

Und wenn man dann ...


Volka Offline




Beiträge: 4.564

13.09.2023 20:28
#20 RE: Harzungen Antworten

... einiges an Zeit aufwendet, gelingt eine Georeferenzierung des Luftbildes, anhand derer die NWE-Strecke von Niedersachswerfen-Ost nach Harzungen zum dortigen Außenlager des KZ Mittelbau-Dora gut ins Gelände übertragen werden kann. Dafür besonders hilfreich sind in Gegenden mit Bebauung und landwirtschaftlicher Nutzung die beim Katasteramt hinterlegten Grundstücksgrenzen (hier als grüne Striche wiedergegeben). Dort sind heute sogar Teile dieser schon lange abgebauten Strecke immer noch eingetragen.

Zur Georeferenzierung habe ich 32 Punkte genutzt und bestimmt nochmal zeitaufwendig eben so viele verworfen, bis die Bahn ganz passabel passte. Die Umwandlung erledigte das Programm QGIS mit einem Polynom 2. Ordnung. Den Versuch ein komplettes Luftbild perfekt zu georeferenzieren habe ich übrigens aufgegeben. So sieht man in dem folgenden Bild besonders nordwestlich erhebliche Abweichungen zu den heute noch existierenden Grundstücksgrenzen. Mit einem Klick ins Bild, bekommt ihr es hoch auflösend angezeigt:


kuno und Harzwanderer haben sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

14.09.2023 20:42
#21 RE: Harzungen Antworten

Den Bahnhof von Harzungen findet ihr rechts oben, d.h. im Nordosten des Bildausschnitts. Das KZ-Außenlager lag oberhalb. Die folgende Zeichnung gibt eine Übersicht über das Lager. Ich habe sie von dieser Seite und für euch aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt:



Im georeferenzierten Luftbild von 1944 stellt sich das so dar:



Vom Bahnhof bis zum Appellplatz im Lager waren es ca. 600 bis 700 m. Von dem Lager und der Eisenbahn ist heute nichts mehr zu sehen. Der deutsche Wikipedia-Eintrag zum KZ-Außenlager Harzungen nennt zwar noch zwei Gebäude, aber mir erschließt sich die Identität im Vergleich mit dem aktueller Orthophoto nicht. Wenn man sie mit QGIS übereinanderlegt, passt zwar die Lage ganz gut, aber die Grundrisse weichen ab. Die Leute vorort werden es aber besser wissen.



Auf der oben genannten französischen Seite gibt es einen Bericht zum Lager. Der unterscheidet sich von den im Internet verfügbaren auf Deutsch (Copy&Paste), so dass ich ihn einfach mal per DeepL ins Deutsche übersetzt habe:

Plan von Anne Le Fur, in André SELLIER, Histoire du camp de Dora, op.cit,S.508.

Der Bau des Lagers ist bereits im Juni 1944 abgeschlossen. Es nimmt dort Häftlinge auf, die aus Platzmangel nicht in Dora interniert wurden. Es umfasst 14 Baracken, davon 10 für die Unterbringung der Häftlinge und 2 für das Revier. Das Lager ist für 4000 Häftlinge vorgesehen, die von der SS und später von Soldaten der Luftwaffe in den beiden anderen Baracken auf der anderen Seite der Straße bewacht werden.
Im Juli/August 1944 werden mehrere Kommandos aus Dora für eine relativ kurze Zeit nach Harzlungen verlegt, bevor sie nach Ellrich weiterziehen.

Die Arbeitsbedingungen sind hart, aber die Lebensbedingungen im Lager sind weniger hart als in Dora. Die Blocks waren sauber und frei von Läusen. Die Verpflegung war regelmäßig sichergestellt. Darüber hinaus war die Luftwaffe weniger streng als die SS.

Der Einsatz von Arbeitskräften.
Anfangs werden die Häftlinge mit Militärlastwagen, später auf Traktoranhängern und ab August 44 mit dem Zug zur Baustelle transportiert, nachdem die Häftlinge in Eigenregie die Strecke Harzungen / Niedersachswerfen gebaut haben.
Vom Lager aus müssen sie dann einen schlammigen Weg bis zu einem kleinen Bahnsteig entlang der Gleise nehmen, wo sie zu 50 Personen in Viehwaggons verladen werden.
Im Dorf Niedersachswerfen, das sie zu Fuß durchqueren, treffen sie auf die kleine Schmalspurbahn, die sie nach einer Nordumrundung des Himmelbergs in 30 Minuten nach B3 bringt.
In diesen Waggons sind sie zu 25 Personen zusammengepfercht.

Sie werden zu 25 in diese offenen Waggons gepfercht, bei jedem Wetter, oft mit den Füßen im Wasser, während sie versuchen, Schutz zu suchen, um die Mitte der Gruppe zu erreichen.
Bei der Ankunft von Hunden begrüßt, betraten sie das Innere des Stacheldrahts, der die Tunneleingänge umgibt.
Die Strecke ist etwa 10 km lang und dauert zwei Stunden.
Im Februar 45, als Kohle knapp wurde, gingen die Häftlinge zu Fuß zu den Tunneln. Bei -20 °C starben durchschnittlich 30 Häftlinge pro Tag.
Die Arbeit war besonders beschwerlich:

Graben von Tunneln und unterirdischen Gängen B11 und B3. Die Häftlinge mussten sich in den Himmelbergen einer regelrechten Bergwerksarbeit unterziehen. Die Arbeiten werden mit lärmenden Presslufthämmern auf instabilen Gerüsten durchgeführt.
Explosionen, herabfallende Steine oder Gerüststürze waren keine Seltenheit. Die bei der Explosion freigesetzten Gase verursachten Lungenkrankheiten: Tuberkulose, Silikose, Rippenfellentzündung, Milzbrand.
Andere Häftlinge wurden zum Entladen der Loren und zum Abtransport des Abraums eingesetzt.

Zeichnung Nr. 72 von Boris Taslitsky, Die Schiene der Loren.

Das Graben der Stollen erfolgte in drei Schichten zu je acht Stunden.


Zeichnung Nr. 4 von Boris Taslitsky, Die Rückkehr der russischen und polnischen Häftlinge nach einem Monat im Kommando S3 "Stollen graben".


Nun wird nicht jedem etwas die Bezeichnung B3 sagen. Diese erklärt sich aus dem ebenfalls auf dieser Seite wiedergegebenen Skizze: http://c.brossard.pagesperso-orange.fr/dora/dora4021.htm. B11 und B12 sind die bekannten Tunnel, in denen die V2 produziert wurde. Auf der Skizze erkennt man auch den Abzweig Mühlberg. Die Position ist heute noch wegen der abweichenden Richtung der Gebäude des vorhergehendes Gleisanschlusses dort deutlich zu erkennen.


Harzwanderer hat sich bedankt!
kuno Offline



Beiträge: 1.500

14.09.2023 21:06
#22 RE: Harzungen Antworten

Ein toller Beitrag von Dir, Volker.
Ich bin echt begeistert
Beste Grüße
Jörg


BahnBib Offline



Beiträge: 46

15.09.2023 14:22
#23 RE: Harzungen Antworten

Hallo Volker,

sehr interessanter Bericht. Ich werde am Wochenende des Forentreffens ebenfalls Dora Mittelbau besichtigen, von daher hatte ich mich auch zu diesem Kapitel der NWE Geschichte beschäftigt.

Hier im Forum sind ja auch bereits reichlich Infos zusammen gekommen:

https://www.harzbahn-forum.de/t2255f15-Mallet-mit-Kriegsbemalung.html

https://www.harzbahn-forum.de/t3439f15-Umbauten-auf-der-Suedharzstrecke-der-NWE-im-Schatten-des-Mittelwerkes.html#msg26364

https://www.harzbahn-forum.de/t2221f15-Strecke-nach-Harzungen.html

In der Jubiläumsschrift von Jörg Bauer steht das für die Strecke nach Harzungen vier Personen- und ein Packwagen von der Steinhuder Meerbahn gekauft hatte (laut Zeichnung in der 'Harzbibel' eine Weyer Bauart) bei denen die Inneneinrichtung entfernt wurde und die Fenster mit Brettern und Stacheldraht verschlossen wurden. Darin waren dann 500 bis 600 Häftlinge untergebracht, bei Luftalarm 1200.
Dieser 'Train' verkehrte mit zwei Zugpaaren zum Schichtwechsel; das erste Harzungen - Niedersachswerfen, das zweite Harzungen - Appenröder Straße.
Am Lager gab es kein Umsetzgleis, die Wagen wurden nach Harzungen geschoben und blieben dort über Nacht stehen. Die Lok wurde in Illfeld abgestellt und startete Morgens um 4 nach Harzungen [Bauer, 1997]

Hier gibt es noch ein paar Fotos vom derzeitigen Zustand des ehemaligen Lagers

https://www.anja-hellfritzsch.de/harzungen.html

Gruß
Till


kuno und Volka haben sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

17.09.2023 11:26
#24 RE:Harzungen Antworten

Hallo Till,

danke sehr vor der Verlinken der vorherigen Beiträge zum Thema Harzungen aus diesem Forum! Selber hatte ich im Vorfeld nicht gesucht, aber die Skizze von Krimderöder für den weiteren Gebrauch noch im Hinterkopf.

In der Tat ergeben sich aus meinen jetzigen Beiträgen keine neuen Erkenntnisse, sondern habe ich eigentlich nur Verlauf und Positionen der Bahn etwas exakter ermittelt, um sie für ORM eintragen zu können. Damit können diese dann natürlich auch besser vorort verfolgt werden. Deine Aufzählung birgt aber noch einen anderen Aspekt, auf den ich später woanders noch eingehen möchte.

Es gibt noch zwei weitere Seiten, die ich als Ergänzung Verlinken möchte:
Der erste, der in der Literatur über diese Bahn berichtete, war meines Wissens nach Manfred Bornemann. Hier der Artikel Die Harzquerbahn in der Kriegs- und Nachkriegszeit, der in der Zeitschrift Unser Harz vom 1/1972 auf Seite 7-10 erschien.
Als zweites den letzten Austausch dazu von Winfried Krimderöder und Reiner Bergmansch im Bimmelbahn-Forum. Zum Schluss zeigt Winfried Bilder von heute. Meine Vergleichsbilder aus der Luft gibt es dann im folgenden Beitrag.

Viele Grüße

Volker


BahnBib und Harzwanderer haben sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

17.09.2023 15:41
#25 RE: Harzungen Antworten

Die Strecke habe ich schon vor einigen Tagen bei OpenStreetMap eingetragen. Nur sieht man sie in der eigentlichen Karte nicht, da bei OSM keine nicht mehr existerende Eisenbahn dargestellt wird. Zusehen ist sie dann bei OpenRailwayMap sowie bei Susudata, wo auch die Daten verwendet werden. Von drei Abschnitten habe ich den Verlauf im Luftbild und dem aktuellen Orthophoto gegenübergestellt:

Als erstes der Bahnhof Harzungen,





am heute immer noch existierenden Walstückchen zwischendrin und





bei der Einfahrt zum Bahnhof Niedersachswerfen Ost.





Die Lok im Luftbild befindet sich ungefähr dort, wo sich heute das kleine Fußbecken befindet. Vielleicht ist ja mal jemand von euch dort im Freibad?


BahnBib, Harzwanderer und Ilfelder haben sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

24.09.2023 18:40
#26 RE: Harzungen Antworten

Hallo,

wer von euch das Buch "Strecken und Bahnhöfe der Schmalspurbahnen im Harz, Band 1", von Jürgen Steimecke besitzt, dem ist bestimmt schon der Bildfahrplan der NWE vom 5.12.1944 auf S. 464 aufgefallen. In diesem sind die Fahrten zwischen Harzungen und Niedersachswerfen aufgeführt. Diese Züge tragen alle das Kennzeichen K, vermutlich für Konzentrationslager, und werden teilweise als Sperrfahrt bis zum Abzweig Mühlberg weitergeführt. Auf dem Bildfahrplan ist die Strecke von Harzungen über Niedersachswerfen (Distanz 2,85 km) bis zum Abzw Mühlberg (Distanz 1,50 km) bereits separat aufgeführt und die Weiterführung nach Appenrode vorgesehen (ohne km-Angabe). Wenn man die 1,50 km vom Anschluss der Harzungener-Strecke in Niedersachswerfen ab ausmisst, führt diese über den eigentlichen Abzweig von der Stammstrecke nach Ilfeld und Wernigerode hinaus bis zum Streckenende noch westlich des Flusses Behre. Dort traf die NWE auf die 900 mm Feldbahn um den Mühlberg.

Hier der Fahrzeiten aus dem Bildfahrplan übertragen in ein Tabellenblatt (so gut ich es entziffern konnte):



Wenn man die Fahrplan verfolgt, fallen die vielen Leerpersonenzüge (Lp) aber auch Lokleerfahrten (Lz) auf. Über den ganzen Tag ist auch niemals eine Lok länger als sechs Minuten in Harzungen oder in Mühlberg. Das empfinde ich als ziemlich kurze Wendezeit. Der Fahrplan ist ziemlich eng zu den Verkehrszeiten des Häftlingszugs und so wie in der Abbildung dargestellt, ist eine Lok am Tag mit dem Programm beschäftigt.

Was mir noch auffällt:
- Am Sonntag ist besonders zum Nachmittag hin der Verkehr eingeschränkter. Hat man tatsächlich den Lagerinsassen etwas Ruhe gegönnt?
- Einige Züge zwischen Harzungen und Mühlberg haben kaum Aufenthaltszeit in Niedersachswerfen bzw. können auch durchgefahren sein. Das spricht auch dafür, dass es in Mühlberg ein Umsetzgleis gegeben haben muss.
- Der Fahrplan listet keine Güterzüge zum Mühlberg auf. Auch wundert man sich bei der weiteren Betrachtung des Bildfahrplans in der Südharzer Gegend, wie die weitere Verwendung der Loks ausgesehen haben könnte. Es enden oder beginnen Züge ohne das sich entsprechende anschließende oder vorhergehende Leistungen finden. Das erweckt für mich den Eindruck, dass Güterzüge im Zusammenhang mit dem dortigen Aktivitäten im Mühlberg oder Kohnstein in diesem Bildfahrplan nicht enthalten sind.

Volker

PS. Fehler in der Tabelle gefunden und korrigiert.


Ilfelder hat sich bedankt!
BahnBib Offline



Beiträge: 46

26.09.2023 15:55
#27 RE: Harzungen Antworten

Hallo Volker,

zu den genauen Umständen in Harzungen konnte ich in der einschlägigen Literatur nichts finden, das können wahrscheinlich nur noch irgendwie erhaltene Augenzeugenberichte hergeben. Ggf. findet sich per Zufall etwas zu den genauen Abläufen.

In dieser Doku (Link geht zu YouTube) wird von Minute 29:15 bis 32:53 kurz auf das Außenlager eingegangen, ist aber Eisenbahntechnisch von keinem Wert.

Gruß
Till


Volka hat sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

04.10.2023 21:15
#28 RE: Harzungen Antworten

Hallo,

aus den obigen Fahrzeiten lässt sich ein Abfahrts- und Ankunftsplan der Häftlingszüge in Harzungen erstellen. Soweit eine Haltezeit in Niedersachswerfen von Minuten im Bildfahrplan eingetragen ist, so habe ich diesen Halt zusätzlich aufgeführt. Ansonsten hätten dies auch Durchfahrten sein können. Der Plan wäre demnach wie folgt:



Falls ihr euch wundert, dass ich die Züge farbig gekennzeichnet habe, so hängt es mit dem Versuch zusammen Schichten daraus abzuleiten. Die Züge dienten ja dazu die Häftlinge an die Arbeitsorte zu bringen und wieder abzuholen. Eine mögliche Zuordnung hätte wie unten abgebildet ausgesehen haben können.



Das ist alles sehr technisch und man mag denken, so lange bin ich desöfteren auch nicht zu Hause, wenn ich zur Arbeit unterwegs bin. Man sollte sich jedoch immer daran erinnern, dass dort ganz andere Arbeitsbedingungen herrschten: https://de.wikipedia.org/wiki/Vernichtung_durch_Arbeit

Bevor ich wieder auf das Nachzeichnen von Eisenbahnstrecken und Bahnhöfen für OpenRailwayMap zurückkomme, möchte ich noch kurz auf eine andere Besonderheit in dem von Jürgen Steimecke wiedergegebenen Bildfahrplan hinweisen: Es ist darin ein Zugpaar von Benneckenstein nach Crimderode aufgeführt, welche in Benneckenstein in der Nähe des Bahnübergang Trautensteiner Straße extra gehalten haben. Dort in Crimderode (heute mit K) wurde wegen des KZ Mittelbau-Dora eine Betriebsstelle eröffnet, wo noch heute der Bahnhof liegt. Der vorherige und zuvor aufgelassene Haltepunkt mit diesem Namen soll an anderer Stelle gelegen gewesen sein. Die Zuggattung dieses Zugpaars beginnt übrigens mit dem Großbuchstaben M (Militär?),

Volker


Ilfelder hat sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

08.10.2023 10:56
#29 RE: Harzungen Antworten

Guten Morgen,

im nächsten Schritt will ich eigentlich den Bahnhof Niedersachswerfen der NWE mit der Einbindung der Strecke aus Harzungen genauer für ORM einzeichnen. Wer sich bei Susudata die Stelle jetzt anschaut, dem fallen bestimmt zwei Punkte auf:

1) Eingezeichnete Gleise liegen nicht auf ihrem im Google-Luftbild zu sehenden Verlauf.
2) Kurven sind höchstens Vielecke.



Dazu sollte man einerseits wissen, dass die von Google zur Verfügung gestellten Luftbilder manchmal nicht so exakt auf den Koordinaten ausgerichtet sind, wie die über die Landesvermessungsämter zur Verfügung gestellten digitalen Orthophotos (DOP). Andererseits wurden die meisten Strecken bereits vor vielen Jahren (15?) über Luftbilder eingezeichnet, als diese noch ungenauer waren als heute und in einem Sommerbild mit Belaubung ganze Abschnitte sich unter Bäumen versteckten. Dazu kommt noch, dass OpenStreetMap - auf dem ORM beruht - nicht so genau angelegt ist, wie ich (wir) es vielleicht gerne hätten. Nichtdestotrotz haben diverse "Mapper" in den Jahren dazwischen viele Änderungen zur Bezeichnung, Signalen usw. nachgetragen, aber kaum einer überarbeitete den Streckenverlauf. Ist aber auch eine Sch...arbeit, bei der es auf den Erhalt aller zusätzlichen Infos und Verknüpfungen wie z.B. Bahnübergänge zu achten gilt.

Ich habe dies in stundenlanger Arbeit nun zwischen der Ausfahrt Krimderode bis zur Einfahrt Ilfeld durchgeführt und möchte euch davon einen kleinen Abschnitt zeigen. Hier bei der Berebrücke zwischen Ilfeld und Niedersachswerfen im aktuellen DOP des Landes Thüringen mit dem alten Streckenverlauf von OpenStreetMap (OSM) bzw. ORM:



Da ich mir an einigen Stellen wegen des Laubes nicht so sicher war, hatte ich mir das jüngste DOP ohne Laub von 2022 ausgesucht. Da gab es diese kuriose Verzerrung zu sehen. Solche sind immer wieder in digital bearbeiteten Luftbildern zu finden (z.B. aktuell im Streckenverlauf der HSB beim alten Bahnhof Sorge):



Im DOP von 2019 war dann alles gut zu erkennen. Der aktualisierte Streckenverlauf ist in blau eingezeichnet. Die Punkte über die Brücke geben übrigens deren Lage an.



Viele Grüße

Volker

Angefügte Bilder:
Bere2019.jpg   Bere2022.jpg   Bere2023.jpg   Niedersachswerfen-Ost-heute.jpg  

Ilfelder hat sich bedankt!
Volka Offline




Beiträge: 4.564

18.10.2023 21:22
#30 Anschluss Kaselitz Antworten

Guten Abend!

Eigentlich wollte ich mit dem Bahnhof Niedersachswerfen der NWE weitermachen, aber da hänge ich gerade in zeitaufwendigen Details fest. Deswegen ziehe ich zur Abwechslung etwas anderes vor, wozu Thomas @Ilfelder vor Jahren die Vorlage gegeben hat und zwar hier: Anschluss in Ilfeld Mit 46 Punkten gelang mir die unten gezeigte Georeferenzierung des von ihm abfotografierten Plans.

Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch auf die Zeichnung des Gebäudes, deren Erhalt wir dem Förderkreis Königshütte Bad Lauterberg e.V. verdanken und die mir bei meiner weiteren Umsetzung für ORM weitergeholfen hat. Hier der Link zu diesem Dokument: https://kulturerbe.niedersachsen.de/obje...niweb_908317/1/


Harzwanderer und Ilfelder haben sich bedankt!
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